Dienstag, November 12, 2024
Persönliches

Mein Werdegang als Controller und Erkenntnisse

Im April wurde ich 66 Jahre alt und konnte auf 45 Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung nachweisen, womit Mindestvoraussetzungen für eine abschlagsfreie Altersrente gegeben waren. Somit bin ich seit dem 1.  Mai Rentner. Von diesen 45 Beitragsjahren trug ich 43 Jahre die Bezeichnung „Controller“ oder „Controlling“, eventuell in Kombination mit näher bezeichnenden Ergänzungen, auf meiner Visitenkarte.

Mit diesem Beitrag möchte ich in loser Folge Erinnerungen dieser Zeit festhalten. In öffentlicher Form mache ich dies, um vielleicht dem einen oder anderen geneigten Leser Reflexionen für seine eigene Tätigkeit anzubieten. Alle Einschätzungen in diesem Blog sind subjektive Erfahrungen und wollen nicht den Anspruch auf eine allgemeine Gültigkeit haben.

  1. Funktionsbereichscontroller (1981-1986):
    1981 stand zum ersten Mal Controller auf meiner Visitenkarte, als ich für das Werks Controller-Team eines Markenartikelunternehmens eingestellt wurde. Damals fragte ich im Bewerbungsgespräch noch, was ich denn als Controller für Besondere Anforderungen erfüllen müsse. Im vorhergehenden Unternehmen lautete die Beschreibung meiner Stelle: “Mitarbeiter betriebswirtschaftliche Abteilung“. Diese die ersten Jahre als Controller habe ich sehr positiv in Erinnerung. Einerseits arbeitete ich in einem Team sehr erfahrener Controller/-innen, die fachlich und kollegial mir viel Input gegeben haben. Andererseits war die fachliche Aufgabe für mich sehr erfüllend, da ich an konkreten Entscheidungen mitwirkte, zum Beispiel Investitionsrechnungen, Make-or-Buy Rechnungen, Kalkulation für neue Produkte und vieles mehr.
  2. Controlling-Trainer und -Berater (1986-2011):
    1986 wechselte ich aus privaten Gründen in den Süden Deutschlands. Hier arbeitete ich als angestellter Controlling-Trainer/-Berater, Leiter eines Beraterteams für Controlling sowie als Freelancer für Controllingberatung. Diese Zeit empfand ich überwiegend als “Einzelkämpfer- und Guerillo-Zeit. Diese Zeit war im Nachhinein körperlich und psychisch sehr anstrengend. Aber vielleicht ist die Zeit zwischen Mitte 30 und 50 auch die Rushhour des Lebens. Heute verstehe ich nicht mehr, wie ich über diese Dauer die benötigte physische und mentale Kraft aufbringen konnte. Der Druck war sehr hoch: einerseits war das Ziel eine hohe Kundenzufriedenheit, der möglichst wenig Tage in Rechnung gestellt bekommen wollte, andererseits wurde ich nur nach Tagen bezahlt, die dem Kunden in Rechnung gestellt werden konnten. Während der Zeit im Beraterteam war das Arbeiten selbstverständlich teamorientiert, doch blieb auch hier die Ergebnisverantwortung als Center-Leiter. Das Beratungscenter „Controllling-Beratung“ musste seine eigenen Personal- und Sachkosten decken und einen entsprechenden Deckungsbeitrag für die Kosten der Gesellschaft leisten.
  3. Leiter Betriebswirtschaftlicher Service / CFO / Controller (2011-2024)
    1. 2011 folgte ein Wechsel wieder zurück in das Angestelltenverhältnis, dieses Mal bei einem mittelständischen Familienunternehmen im Osten Deutschlands. In diesem Unternehmen sollte man sich wohlfühlen Punkt alle Mitarbeiter sollten sich als Familie betrachten. Daher war das Betriebsklima auch entsprechend familiär. Meine Aufgabe dort war es, ein Controlling aufzubauen. Dazu wählte man die Funktionsbezeichnung „Leiter Betriebswirtschaft ist der Service“, da den Führungskräften “Controlling“ zu nah am Begriff „Kontrolle“ war, durch den man das gute Betriebsklima nicht stören wollte. Daher der Begriff „betriebswirtschaftlicher Service“. Der Leiter dieser Stelle sollte den Geschäftsführern „Service“ leisten und keine Kontrolle im Unternehmen durchführen. Schwerpunkt der Tätigkeiten in diesem Unternehmen war der Aufbau von Kostenrechnungssystemen, einer integrierten Unternehmensplanung (Konzernplanung), der ergebnisorientierten Vertriebssteuerung, der Liquiditätsplanung sowie der Einführung eines ERP-Systems. 2017 trat ein neuer Sprecher der Geschäftsführung in das Unternehmen ein, der vorher ebenfalls Controller war. Er brauchte eine Controlling-Abteilung „nur“ noch zum Aufbau von ihm gewünschten Reports, was meine jüngeren Mitarbeiter durchaus besser konnten als ich. Da er innerhalb der Geschäftsleitung jetzt den Controller-Part in Personalunion übernahm stand für mich der nächste Job-Wechsel an, obwohl im mich dafür im Alter von 60 Jahren langsam zu alt fühlte.
    2. In einem stark expandierendem Online-Start-Up übernahm ich 2018 die Rolle des CFO.  Während der Bewerbungsphase dachte ich, es ginge um den Job des Leiters Finanzen- und Controlling. Erst nach der Einstellung wurde mir als Aufgabe die Vorbereitung eines Börsenganges übertragen (IPO-Readiness), was sowohl mich wie auch die beteiligten Personalberater überraschte. Das hatte ich nicht mehr gewollt. Doch welche berufliche Alternative gab es noch für mich, außer „mach das Beste ‚draus“. Das Vertrauen und die Unterstützung durch die Gesellschafter war großartig, Doch das Aufgabenpensum war, obwohl es zum großen Teil um ein „Berater-Management“ handelt sehr arbeitsintensiv mit mehreren Dosen „Red-Bull“ jeden Tag ab dem Mittagessen. Zudem gab es einer „Dauerstreit“ zwischen mir und der Leiterin der Buchhaltung, die gerne selbst meine Stelle wollte, und immer wieder für unangenehme Überraschungen für mich im Bereich „Buchhaltung“ sorgte, z.B.  zeitgleiches Ausscheiden der besten beiden Hauptbuchhalter etc.  Dieser Stress oder eigene Raubbau am Körper hatte seinen Preis in Form eines Schlaganfalls Ende 2019. Ich konnte die Gesellschafter überzeugen, dass ich, körperlich angeschlagen, nicht mehr die richtige Person für ihre Zielstellung sein. Zusammen mit Ihnen suchte ich noch einen geeigneten Nachfolger aus und verlies das Unternehmen, um an einer Reha teilzunehmen.
    3. 2020 erhielt ich wenige Monate nach dem erfolgreichen Abschluss meiner Reha den Anruf eines ehemaligen Vorgesetzten, dass „sein“ Controller kurzfristig ausgefallen sei und er dringend kurzfristigen „Ersatz“ bräuchte für ein Start-Up im Bereich Maschinenbau. Könnte ich kurzfristig zur Verfügung stehen? Da ich noch keine Alternative hatte, sagte ich seinetwegen zu, da ich wusste, dass er ein „Nein“ von mir bei einer Überforderung akzeptieren würde. Ich wollte keinen neunen Schlaganfall riskieren. Wenige Monate später hatte ich wieder einen neuen Chef: Diesmal ein promovierter Physiker, der zuvor als Berater für das Unternehmen gearbeitet hatte. Hiermit änderten sich wieder das Aufgabenprofil für mich. Der neue Vorgesetzte war vor allem an einer Konzern-Umsatz-Zielerreichung auf Quartals-Basis interessiert. Insbesondere in den letzten Tagen des Monats mussten ihm durch Power-BI-Anwendungen, die von mir zu „pflegen“ waren, Konzernumsätze auf Stunden-Basis zur Verfügung gestellt werden. Neben diversen Sonderrechnungen, u.a. Corona-Hilfen., bestand eine Hauptaufgabe in der wöchentlichen Liquiditätsplanung. Kapitalerhöhungen in einem erweiterten Gesellschafterkreis zu besprechen, benötigt einige Wochen Vorlaufzeit. Hier sollte es keine „bösen“ Überraschungen geben, die es aus meiner Sicht auch zu keinem Zeitpunkt gegeben hat.
  4.  Zusammenfassung:
    1. Die Arbeit eines Controllers bzw. einer Controllerin kann abwechslungsreich sein und erfordert fachliche Flexibilität
    2. Immer wieder können organisatorische Änderungen bzw. Fluktuation bei Vorgesetzten und Kollegen die eigenen Wünsche / Ziele unerwartet beeinflussen. Hier gilt: „Take it, Change it or Leave it“.
      Es würde mich freuen, falls diese Zeilen bei jemanden zusätzliche Hinweise für eigene Fragestellungen gegeben haben. Fortsetzungen zu einzelnen Themenbereichen sind wahrscheinlich.
    3. Alles hat seinen Preis! Welchen Preis sind sie bereit für Ihre Entscheidungen zu zahlen? Welche Wertigkeit bekommen in dieser Betrachtung Familie, Freunde und Gesundheit?Herzliche Grüße!

      Manfred Grotheer

 

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